Sie sind ein gutes Beispiel dafür, wie man Familie und Selbstständigkeit unter einen Hut bekommt: Jenny Hackhe (v.l.) und Merle Janssen.
© Sanitätshaus Janssen
Familie und Selbstständigkeit im Einklang
Die beiden Schwestern Jenny Hackhe und Merle Janssen haben 2021 die Geschäftsführung des Sanitätshauses Janssen in Emden von ihrem Vater Ernst übernommen. Bei der damit verbundenen Umstrukturierung haben sie viel Wert auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gelegt.
3. April 2024
Ostfriesland. Laut aktuellen Studien scheuen immer mehr junge Meisterinnen und Meister die Gründung oder Übernahme eines Handwerksbetriebs. Die ohnehin schon große und weiterhin wachsende Bürokratie empfinden viele als enorme Belastung. Ein Problem, das auch Jenny Hackhe (35) und Merle Janssen (33), Geschäftsführerinnen des Sanitätshauses Janssen aus Emden, kennen. „Es gibt immer mehr Auflagen und Gesetze, die uns unsere Arbeit erschweren. Ein Teil davon ist mit Sicherheit notwendig und richtig, vieles aber auch einfach übertrieben. Es wäre wünschenswert, wenn die Politik da endlich mal einen Mittelweg finden könnte“, sind sie sich einig. Die beiden Schwestern haben vor zwei Jahren den ersten Schritt in die Selbstständigkeit gewagt und die Geschäftsführung des Familienbetriebes von ihrem Vater und Orthopädietechnikermeister Ernst Janssen übernommen. Und obwohl auch sie tagtäglich mit diesen Herausforderungen zu kämpfen haben, sehen sie diesen Schritt nach wie vor als Chance, das Berufsleben an die eigenen Bedürfnisse anpassen zu können. „Viele denken in Zusammenhang mit einer Selbstständigkeit nur an die Pflichten. Dass sie einem aber auch die Möglichkeit eröffnet, das Arbeits- und Familienleben frei gestalten zu können, wird oft vergessen“, so Jenny Hackhe.
Die Geschwister sind quasi im Betrieb ihres Vaters groß geworden. Merle Janssen hat von 2009 bis 2012 dort sogar ihre Ausbildung zur Kauffrau im Gesundheitswesen absolviert. „Während meiner Lehrzeit und auch danach habe ich alle Bereiche durchlaufen und konnte mir so einen guten Eindruck von den ganzen Betriebsabläufen verschaffen“, erzählt sie. Ihre Schwester Jenny zog es hingegen zunächst in die Finanzbranche. Nach einer erfolgreich abgeschlossenen Lehre als Bankkauffrau war sie bis zur Geburt ihrer Zwillinge 2017 in diesem Bereich tätig. „Mir war schon immer klar, dass ich gerne irgendwann in das Familiengeschäft einsteigen möchte. Während der Elternzeit hat es sich dann angeboten, dass ich stundenweise in die verschiedenen Abteilungen reingeschnuppert habe“, erklärt Hackhe. 2018 sei sie dann auf Teilzeitbasis voll in den Betrieb eingestiegen.
Kurze Zeit später deutete Vater Ernst dann vorsichtig an, sich allmählich aus dem Alltagsgeschäft zurückziehen und die Unternehmensführung an die nächste Generation abgeben zu wollen. „Für uns stand fest, dass wir das nur zusammen machen und dass wir eine Menge Dinge verändern möchten, weil wir beide Mütter sind und die Familie an erster Stelle steht. Ein Familienleben muss auch trotz Selbstständigkeit möglich sein“, betonen sie. Gesagt, getan! Innerhalb der vergangenen zwei Jahre haben die beiden Betriebsinhaberinnen die interne Kommunikation umgestellt sowie viele Abläufe und Prozesse digitalisiert. „Uns war es wichtig, für unsere Mitarbeitenden erreichbar zu sein und Dinge regeln zu können, ohne dass wir dafür zwingend im Betrieb anwesend sein müssen“, erklären sie. Sie hätten aber auch Wert darauf gelegt, ihre Mitarbeitenden in die Umstrukturierung mit einzubeziehen und deren Bedürfnisse zu berücksichtigen. „Deshalb haben wir Anfang des Jahres zum Beispiel die Möglichkeit einer 4-Tage-Woche eingeführt.“ Tatsächlich hätten sie dabei festgestellt, dass gar nicht alle Angestellten Interesse daran hätten und stattdessen weiterhin die 5-Tage-Woche bevorzugten. „Prinzipiell haben aber alle die Möglichkeit dazu. Für uns zählt nur, dass der Betrieb reibungslos weiterläuft. Die Kolleginnen und Kollegen müssen sich also lediglich untereinander abstimmen.“
Trotz der vielen Veränderungen sei die Übernahme relativ geräuschlos verlaufen. Einzig der emotionale Teil, den viele beim Übernahmeprozess oft vergessen, sei für alle Beteiligten nicht leicht gewesen. Das Sanitätshaus sei nun mal das Lebenswerk ihres Vaters und das würden beide respektieren. „Dementsprechend ist es ihm natürlich schwergefallen, loszulassen. Und vieles von dem, was wir neu eingeführt haben, konnte er nicht nachvollziehen. Das ist vermutlich einfach ein Generationending“, berichten sie schmunzelnd.
Ihr Wissen nutzen die beiden Schwestern auch, um es an andere weiterzugeben. So werden sie am 16. April, bei der Veranstaltung „Starke Frauen für ein starkes Handwerk“ der Handwerkskammer für Ostfriesland von ihren Erfahrungen der familieninternen Betriebsübergabe sowie dem Alltag als Geschäftsführerinnen berichten. Seit Anfang des Jahres tun sie das auch regelmäßig einmal in der Woche in ihrem Podcast „Unter Schwestern“, der auf allen gängigen Plattformen zu hören ist. „Damit wollen wir allen potenziellen Gründerinnen und Gründern ein wenig Mut machen, dass eine Selbstständigkeit auch abseits des klassischen Weges möglich ist“, so Jenny Hackhe und Merle Janssen.
Interessierte Handwerkerinnen und Handwerker können sich bei der Kammer kostenfrei zum Thema Betriebsübergabe/-übernahme beraten lassen. Ansprechpartnerin ist Svea Janssen, erreichbar unter Tel. 04941 1797-29 oder per E-Mail s.janssen@hwk-aurich.de
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