Die Maler und Lackierer gehören mit zu den Ausbaugewerken, die im aktuellen Konjunkturgeschehen die Spitzenposition belegen.
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Stimmungseinbruch im ostfriesischen Handwerk
Herbst-Konjunktur spiegelt Sorgen und Befürchtungen der Betriebe wider.
Ostfriesland. Die konjunkturelle Lage im ostfriesischen Handwerk hat sich deutlich abgekühlt. Materialknappheit und exorbitant steigende Preise für alle Formen der Energie – vom Kraftstoff über Strom bis hin zu Gas und Öl –sorgen für Unruhe. Das zeigt eine Umfrage der Handwerkskammer für Ostfriesland im vierten Quartal 2022. „Die Folgen der anhaltenden Energiekrise, der Inflation und des spürbaren Konsumrückganges ziehen sich durch alle Gewerke. Fast alle Betriebe erwarten dadurch geringere Umsätze, weniger Aufträge und weniger Beschäftigung“, kommentiert Hauptgeschäftsführer Jörg Frerichs das Zahlenwerk.
Mit Blick auf den Geschäftsklima-Index werden die Auswirkungen deutlich: So sinkt der Indikator im Gesamthandwerk im Vergleich zum Vorjahr um 42 Punkte und erreicht einen Indexwert von 82 (Vorjahr: 124). Die meisten Betriebe berichten von Umsatzeinbrüchen – trotz höherer Verkaufspreise – und prognostizieren dies auch für die nächsten Wochen. Per saldo blicken 54 Prozent ohne Zuversicht auf die kommenden Monate. „Die Politik muss jetzt Gas geben. Was unsere Betriebe am dringendsten benötigen ist, dass die in Aussicht gestellten finanziellen Entlastungen schnell und unbürokratisch umgesetzt werden und vor allem spürbar sind. Der handwerkliche Mittelstand ist bei vielen bisherigen Rettungspaketen schlichtweg vergessen worden. Das macht sich nun bemerkbar“, sagt Frerichs.
Das wird auch mit Blick auf die einzelnen Handwerksgruppen des Kammerbezirks deutlich. Zwar steht das Ausbaugewerk mit einem Geschäftsklima-Index von 103 Punkten an der Spitze des Konjunkturgeschehens, im Vergleich zum Vorjahr hat es jedoch 26 Punkte eingebüßt (Vorjahr: 129). Trotzdem ist es das einzige Gewerk, das die 100-Punkte Schwelle knackt und damit die konjunkturelle Lage optimistisch einschätzt. „Das Ausbaugewerk profitiert davon, dass die Verbraucher versuchen, den gestiegenen Energiekosten durch Sanierung zu begegnen“, so der Hauptgeschäftsführer.
Mit einem Geschäftsklima-Index von 98 (Vorjahr: 115) folgen die Gesundheitshandwerke. Sie liegen damit nur knapp unter der 100-Punkte-Schwelle. Zwei Drittel der Betriebe meldeten eine gute Geschäftslage. Die Beschäftigung und Umsatzentwicklung waren stabil. Jeder fünfte Betrieb rechnet damit, in den kommenden Monaten wieder Personal einzustellen.
Knapp dahinter liegen die Handwerke für den persönlichen Bedarf. Sie erreichen einen Indexwert von 86 (Vorjahr: 112). Ein Drittel der Betriebe meldeten eine bessere sowie 44 Prozent eine unveränderte Geschäftslage. Aufträge gingen per saldo bei 18 Prozent der Betriebe zurück und 30 Prozent verbuchten rückläufige Umsätze. Auch hier wird keine Verbesserung erwartet.
Weiter geht es mit dem Bauhauptgewerbe, das im Frühjahr noch einen der Spitzenplätze belegte und jetzt 50 Indexpunkte verliert. Damit weist es auf dem Geschäftsklima-Index einen Wert von 74 Punkten (Vorjahr: 124) aus. Die Auftragsbücher sind mit 17 Wochen Auslastung weiterhin gefüllt. Aber: Die Wintersaison steht vor der Tür. Somit rechnen 68 Prozent mit einer Verschlechterung der Auftragslage.
Knapp hinter dem Bauhauptgewerbe reihen sich die gewerblichen Zulieferer mit einem Geschäftsklima-Index von 73 Punkten (Vorjahr: 128) ein. Die Geschäftslage wird als befriedigend bewertet, die Umsätze stagnieren bei der Hälfte aller Betriebe. Als Teil der Lieferkette spüren sie vor allem den Rückgang der industriellen Produktion.
Das Kfz-Handwerk ist mit einem Indexwert von 52 Punkten (Vorjahr: 115) knapp über der 50-Punkte-Marke. 18 Prozent der Kfz-Betriebe melden eine gute Geschäftslage, jeder vierte Betrieb eine schlechtere als im Vorquartal. Per saldo mussten 43 Prozent mit weniger Aufträgen kalkulieren, was sich unmittelbar auf das Umsatzvolumen auswirkte. Anhaltende Lieferschwierigkeiten sowie ein zusätzliches geändertes Verbraucherverhalten verschärfen die Situation.
Das Schlusslicht des Konjunkturgeschehens bildet das Gewerk, das im Frühjahr noch die Spitzenposition belegte. Die Nahrungsmittelhandwerke erreichen lediglich 44 Indexpunkte (Vorjahr: 122). Die hohe Inflation zehrt an der Kaufkraft der Verbraucher. Dennoch sind Umsätze und Auftragsvolumen durchschnittlich gleichbleibend. Der Pessimismus ist hier trotzdem am größten: 78 Prozent gehen von einer weiteren Verschlechterung der Geschäftslage aus. „Die Nahrungsmittelhandwerke gehören mit zu den energieintensivsten Betrieben. Angesichts der ungebrochenen Preisdynamik auf dem Energiemarkt und den bevorstehenden Wintermonaten, ist die Verunsicherung hier verständlicherweise am größten“, so Frerichs.
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