Heiner Stickfort (l.) und Bianca Gärtner im Rohbau eines ihrer Tiny Houses
©HWK/J.Stöppel
Freiheit auf 23 Quadratmetern
Bianca Gärtner und Heiner Stickfort verkaufen ihren Kunden Tiny Houses nach Maß. Bei der Gestaltung der kleinen „Raumwunder“ sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt.
Ostfriesland. Laut Statistik besitzt jeder Europäer durchschnittlich etwa gut 10.000 Dinge. Um das alles unterbringen zu können, benötigt man auch allerlei Platz. Aber was ist wirklich nötig, um glücklich zu sein? Innenarchitektin Bianca Gärtner (51) und Tischlermeister Heiner Stickfort (46) haben dazu eine klare Meinung: „Wenn man sich mal einen Moment ganz bewusst auf das Wesentliche besinnt, merkt man schnell, wie wenig man eigentlich braucht, um glücklich zu sein“, so die beiden Unternehmer. Und sie müssen es wissen, denn die gebürtige Nordrheinwestfälin und der Ostfriese haben sich vor gut einem Jahr mit ihrem Betrieb „Tiny House Wohnträume“ in Leer selbstständig gemacht und verkaufen ihren Kunden „Lebensqualität auf kleinstem Raum“. Im Gespräch mit der Handwerkskammer für Ostfriesland haben sie erzählt, was die Vorteile an dieser besonderen Lebensweise sind.
Die Nachfrage nach Tiny Houses erfreut sich derzeit großer Beliebtheit. Aber was genau ist eigentlich ein Tiny House? „Der Ausdruck stammt aus den USA und bedeutet nichts anderes als ‚kleines Haus‘. Außerdem sind die ursprünglichen amerikanischen Tiny Houses auch immer auf einem Trailer verschraubt“, erklärt Bianca Gärtner. Der Vorteil daran: Man kann sich jederzeit für einen Ortswechsel entscheiden und hat sein Eigenheim gleich mit dabei. Die Bezeichnung Tiny House sei jedoch nicht geschützt, deshalb würden inzwischen auch viele festinstallierte Häuser so genannt. Neben der Nutzung als Eigenheim ließen sich außerdem auch kleine Geschäftsräume – beispielsweise ein rollendes Café oder ein Friseursalon – darin realisieren. Das Unternehmen aus Leer bietet für alle Varianten eine individuelle Lösung an. „Generell ist alles möglich. Wichtig ist nur, dass sich die Kundin oder der Kunde im Vorfeld klar macht: Was sind meine Bedürfnisse und welche Art von Tiny House möchte ich?“, macht Tischlermeister Stickfort deutlich.
Ist das erst einmal geklärt, nehmen die beiden Unternehmer ihre Kunden bei jedem weiteren Schritt an die Hand. Denn jedes Haus wird ganz individuell und nach den Wünschen des Kunden gefertigt. „Wir legen sehr viel Wert darauf, keine ‚gemütlichen Holzhütten‘, sondern kleine Häuser mit einem Loft-Charakter im Inneren auszuliefern“, betont Innenarchitektin Bianca Gärtner. Auf gewisse Standards muss dabei nicht verzichtet werden. Von der einfachen Grundausstattung bis hin zur „Luxusvariante“ mit Fußbodenheizung und Smart Home sei auf den durchschnittlich etwa 23 Quadratmetern alles umsetzbar. Sogar ein komplett eingerichtetes Bad mit Badewanne oder Dusche sowie eine gut ausgestattete Küche mit Haushaltsgeräten. „Unsere Tiny Houses sind nur auf den ersten Blick klein, haben aber ein unglaubliches Potenzial und sind somit echte Raumwunder.“ Wie schnell das neue „Raumwunder“ bezugsfertig sei, hänge immer ein stückweit von den Wünschen des Kunden ab. Grob läge die Herstellungszeit bei etwa drei bis vier Monaten.
Aber was macht den Reiz an einem Leben im Tiny House aus und für wen eignet es sich überhaupt? Die Antwort liegt für die beiden Unternehmer auf der Hand: „Es entsteht einfach ein ganz neues Lebensgefühl. Und man bewirkt damit den Ausstieg aus dem ewigen Konsum. Denn bei jeder Neuanschaffung muss ich mich fragen: Auf was will ich dafür verzichten?“ Darüber hinaus gebe es auch ganz allgemeine, praktische Vorteile wie kurze Wege, weniger Putzfläche und geringe Lebenshaltungs- und Energiekosten. Darum sei es auch egal ob jung oder alt, Single oder Familie, für jeden könnten die optimalen Wohnbedingungen geschaffen werden. Trotzdem falle es vielen schwer, sich ein Leben auf kleinstem Raum vorzustellen. Deshalb bieten Bianca Gärtner und Heiner Stickfort voraussichtlich ab Herbst ein Probewohnen in einem Muster Tiny House auf ihrem Firmengelände an. „Das ermöglicht Interessierten, sich selbst von dem Charme dieser Lebensweise zu überzeugen“, so die Wohnraum-Experten.
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BU_Haus: Ein Musterhaus des Unternehmens „Tiny House Wohnträume“ steht auf dem Betriebsgelände in Leer. Ab Herbst können Interessierte dort zur Probe wohnen.
BU_Unternehmer: Heiner Stickfort (l.) und Bianca Gärtner im Rohbau eines ihrer Tiny Houses.
BU_Küche: Sogar eine gut ausgestattete Küche mit Haushaltsgeräten findet im Tiny House Platz.
BU_Sitzecke: Auch für Gemütlichkeit ist gesorgt: Eine kleine Sitzecke lädt zum Entspannen ein.
Fotos: HWK/J. Stöppel