Thomas Harms (von links), Lars Grünhoff und Produktionsleiter Michael Haase zeigen am Verkaufstresen der Bäckerei Grünhoff die neuen TK-Brötchen.
© HWK/W. Feldmann

Brötchen für die ostfriesischen Inseln

Lars Grünhoff hat neuartige Tiefkühl-Rezepturen entwickelt, mit denen er die Insel-Urlauber mit frischen Bäckerbrötchen versorgt.

22. Oktober 2024

Ostfriesland. Goldgelbe Farbe, herrlich knackige Kruste, eine fluffige Krume und ein frisches Aroma: Mit dem Biss in ein gutes Bäckerbrötchen am Morgen kann der Urlaub starten. Für Touristen auf den ostfriesischen Inseln gehört das zu einem perfekten Aufenthalt dazu. Nur leider müssen Hotel- und Pensionsbesucher auf die kleine Backkunst verzichten. Nicht immer können die wenigen Inselbäckereien die Versorgung aller gewährleisten. Oft wird dann auf Tiefkühlware von industriellen Großbäckereien zurückgegriffen oder vom Festland geordert.

Bäckermeister Lars Grünhoff kennt das Problem. Er führt in vierter Generation gemeinsam mit seiner Frau Maya die Bäckerei Grünhoffs Backstuuv. Vom Hauptsitz in Norddeich betreiben sie mit 180 Mitarbeitenden zehn weitere Filialen und versorgen auch die ostfriesischen Inseln mit frischer Backware. Allerdings gibt es nur zwei Inseln, Norderney und Langeoog, die tideunabhängig mit der Fähre rechtzeitig zur Frühstückszeit beliefert werden können. „Fällt dann noch eine Fähre aus oder kommt zu spät, ist die Lieferzeit für ein frisches Brötchen gelaufen“, erklärt der Bäckermeister. Durch die schwankenden Besucherzahlen werde oft auch zu viel geordert und Lebensmittel weggeworfen. Wurde zu wenig bestellt, kommt wieder die industrielle TK-Ware zum Einsatz. Die Folge sind schlechte Online-Bewertungen, „weil diese einfach geschmacklich nicht an unsere Brötchen heranreichen“, berichtet Lars Grünhoff.

Die 1.000 kleinen Vorteile der neuen TK-Brötchen

Das war der Grundstein für seine Idee, tiefgekühlte Brötchen in Handwerksqualität für das Hotel- und Gastronomiegewerbe anzubieten. So hat der Meister mit seinen Mitarbeitenden neue Rezepturen und Verarbeitungstechniken für seine derzeit 27 Brötchen-Sorten entwickelt. Sie werden vorgebacken und anschließend schockgefrostet. Für die Teiglinge verwenden Grünhoff im Vergleich zur Industrie hochwertigere Inhaltsstoffe und längere Gärzeiten, die den Geschmack und die Verträglichkeit verbessern. Betreiber von der kleinen Pension bis zum großen Hotel können die neuartigen Backwaren in herkömmlichen Öfen aufbacken. „Teure Gärautomaten müssen dafür nicht angeschafft werden“, erklärt Grünhoff von den „vielen 1.000 kleinen Vorteilen“, die seine neue Produktpalette bringe.

„Wir haben viel experimentiert und mit einigen Stammkunden die Rezepturen getestet.“ Ziel war es, Backwaren herzustellen, die über längere Zeit backfähig bleiben, ohne typische Qualitätsverluste wie das „Altbackenwerden“ mit splitternden Krusten und weißen Streifen im Körper. Außerdem sollte eine Sortenmischung in einem einheitlichen, gemeinsamen Aufbackvorgang zubereitet werden können.   

Mit den neu entwickelten Rezepten für TK-Brötchen müssen Touristen nicht mehr auf die kleine Backkunst am morgen verzichten.
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Fischbrötchen speziell für die Inseln entwickelt

Für die eineinhalbjährige Entwicklungsarbeit zog Lars Grünhoff auch die Handwerkskammer für Ostfriesland zu Rate. Gemeinsam mit Thomas Harms, Technischer Berater, konnte das Unternehmen Mittel aus dem niedrigschwelligen Innovationsförderprogramm (nIFP) der NBank gewinnen. Etwas mehr als ein Drittel der Entwicklungskosten, bis zu 100.000 Euro, können kleine und mittelständische Handwerksunternehmen aus den Töpfen des Landes und der EU beziehen. „Wichtig ist, dass die Entwicklung für das Unternehmen neu und marktfähig ist – beispielsweise wie in diesem Fall den regionalen Absatzmarkt erweitert“, erklärt Thomas Harms. Für Lars Grünhoff hat sich das Projekt gelohnt. Seit knapp einem Jahr bietet er die Backwaren an und „es hat sich relativ flott herumgesprochen. Die neuen TK-Brötchen sind beliebt.“ 22 Pensionen und Hotels auf Norderney, Juist und Borkum ordern Weizen-, Roggen-, Vollkorn-, Dinkel-, Rosinenbrötchen und Co.

Ein Fischhändler auf Norderney verarbeitet ein für ihn speziell hergestelltes Fischbrötchen. Sogar sieben neu kreierte Rezepte für sogenannte Burger-Buns werden in hoher Stückzahl an Restaurants ausgeliefert. Und die Produktpalette ist noch lange nicht am Ende. „Wir tüfteln derzeit an Baguette-Brot und anderen Brotsorten zum Aufbacken“, sagt Lars Grünhoff.

Tideabhängige Transportwege bergen viele Hürden

Allein auf Norderney konnten die Umsatzziele bereits erreicht werden. Weitere Kunden vom Festland haben ebenfalls Interesse bekundet. Zu den anderen Inseln muss der Transport mit lückenloser Kühlung noch sichergestellt werden. „Produzieren ist nicht das Problem, aber die Ware innerhalb einer kurzen Zeitspanne tiefgekühlt auszuliefern, birgt viele kleine Hürden“, sagt Grünhoff. Der Transport von Kühlfahrzeugen ist auf den meisten Fährverbindungen nicht oder nur mit sehr großem Aufwand möglich. Auf Norderney beispielsweise werde die Ware in Kühlboxen mit einem Verkaufswagen ausgeliefert. Das ist aber aufgrund des eingeschränkten Verkehrs nicht auf allen Inseln möglich. „Mal sehen, ob wir auf Pferdekutschen oder doch Elektrowagen zurückgreifen müssen“, schmunzelt Grünhoff. Aber auch da werde sich ein Weg finden.

Interessierte Handwerksbetriebe, die vorhaben, neue Produkte, Produktionsverfahren oder Dienstleistungen zu entwickeln sowie ihre betrieblichen Abläufe- und Organisationsformen durch neue Konzepte zu verbessern, können sich an die Handwerkskammer für Ostfriesland wenden. Ansprechpartner sind die Mitarbeiter der Betriebsberatung: Thomas Harms, Technischer Berater, erreichbar unter Telefon 04941 1797-61 oder per E-Mail t.harms@hwk-aurich.de.